Ökologische Bedeutung von Kopfweiden

Kopfweiden bieten anderen Pflanzen vielfältige Lebensmöglichkeiten. Voraussetzung für die epiphytische Besiedlung der Kopfweiden ist das Vorhandensein eines ausreichenden Nährbodens. Die echten Epiphyten wie Moose, Algen und Flechten leben im Kronen- und Stammbereich an der Rinde der Kopfweiden, insbesondere an solchen, die entlang der Gewässerläufe stehen. Gelegenheits-Epiphyten siedeln auf Kopfweiden in dem mehr oder weniger stark zersetzten Holz, im Mulm und an absterbender Rinde. Die meisten Epiphyten (Aufsitzerpflanzen) sind Pflanzen der Umgebung, deren Vorkommen durch entsprechende Formen der Verbreitung (Wind, Vogelkot, Ameisen) dann auf den Kopfweiden wachsen. Manche Epiphyten, allen voran der schwarze Holunder (Sambucus nigra), sind eine große Gefahr für Kopfweiden, da ihre Wurzeln die Stämme spalten können.

Folgende Epiphyten wurden auf Kopfweidenbeständen gefunden:

  • Große Brennnessel - Urtica dioica
  • Himbeere - Rubus idaeus
  • Bittersüßer Nachtschatten – S. dulcuamara
  • Stechender Hohlzahn - Caleopsis tetrahit
  • Schwarzer Holunder - Sambucus nigra
  • Drüsiges Springkraut - Impatiens glandulifera
  • Gemeiner Löwenzahn - Taraxacum officinale
  • Eberesche - Sorbus aucuparia
  • Wiesenrispengras - Poa pratensis
  • Rote Johannisbeere - Ribes rubrum
  • Stachelbeere - Ribes uva-crispa
  • Taubnesselarten - Lamium spec.

Gemeinsam ist diesen Arten hoher Nährstoffbedarf. Auffallend der hohe Anteil von früchtetragenden Pflanzen, die von Vögeln und anderen Tieren verbreitet werden.

Baumpilze

Es soll hier auch die ökologische Bedeutung von Baumpilzen hervorgehoben werden, da besonders die Pilze mit ihren gut sichtbaren Fruchtkörpern Lebensraum für die verschiedenen Käferarten sind. Eintrittspforten für die Pilzsporen sind überwiegend Wunden an Bäumen. Gerade die Kopfweiden bieten den pilzlichen Erregern günstige Eindringmöglichkeiten, da der ständige Schnitt Wunden hinterlässt und die Weide ihre Wunden nur unzureichend abschottet, d.h. die Wunde verschließt.

  Folgende Baumpilze wurden an Kopfweiden gefunden:

  • Weiden – Scheibenpilz - Cytidia salicina
  • Blasiges Eckenscheibchen - Diatrype bullata
  • Kreisel – Düsling - Exidia recisa
  • Weiden – Stengelbecherling - Hymenos cyphus conscriptum
  • Weidenkätzchen Becherling -Pezizella amenti
  • Muschelförmiger Feuerschwamm - Phellinus conchatus
  • Weidenschüppling - Pholiota conissans u.v.m.

Eine Kopfweide kann bis zu 90 Käferarten einen Lebensraum bieten.

Foto: Swen Baumung  /  Moschusbock
Foto: Swen Baumung / Moschusbock

Käfer

Die hohlen, dichtstämmigen Kopfweiden eignen sich hervorragend als Refugium für einen großen Teil der Käferarten. Mit zunehmendem Stammumfang und Holzzersetzung steigt tendenziell die Vielfalt an Kleinlebensräumen. Umfangreiche Stämme besitzen ausreichend Holzsubstanz für die mehrjährige Larvenphase von größeren Insekten.

 

Wichtige Eigenschaften der Kopfweiden, wie sie an anderen Baumarten in dieser Kombination nur selten vorkommen, sind ihre Neigung zur Baumhöhlen- und Mulmbildung, das Nebeneinander von härteren und weicheren Totholzpartien in den äußeren Stammschichten und die hohe Zahl von Holzpilzarten, von denen sie besiedelt werden.
Alle diese Eigenschaften machen die Kopfweiden zu einem wichtigen Ersatzbiotop in der Kulturlandschaft. Der Wert der Kopfweiden für die Tiere zeigt sich in der hohen Zahl an Arten sowie an den zahlreichen seltenen, sehr seltenen und / oder Rote-Liste-Arten, die diesen Lebensraum aufsuchen. Zwei Käfer, die so stark von der Dezimierung der Kopfweidenbestände bedroht sind, dass dies die Hauptursache für ihr Bestandsschrumpfen ist, sind der Weber- und der Moschusbock. Der erst abendaktive Weberbock ist zu weiten Wanderungen unfähig, zudem ist er nicht flugfähig. Daher ist er angewiesen auf die seltenen, gefährdeten, zusammenhängenden Kopfweiden-Biotope, die seinen Fortbestand vorwiegend am Fuß der Brutbäume sichern. Der Weberbock steht heute auf der Roten Liste NRW.

Foto: NABU(Günter Lessenich  Der Steinkauz als charakteristischer Bewohner von Kopfweiden
Foto: NABU(Günter Lessenich Der Steinkauz als charakteristischer Bewohner von Kopfweiden

Weitere auf Kopfweiden lebende Tierarten:

 

Vögel
Für höhlenbewohnende Vogelarten bieten die Kopfweiden ideale Lebensbedingungen. Immer wieder wird der Steinkauz als charakteristischer Bewohner von Kopfweiden genannt. Diese Vogelart lebt in waldarmen, offenen Landschaften, die geeignete Brutplätze, Tagesverstecke und Sitzwarten sowie ein entsprechendes Nahrungsangebot aufweisen. Einer der Hauptgründe für den Rückgang der Steinkauzpopulation liegt in der Zerstörung der Brut- und Nahrungshabitate vorwiegend durch den Verlust von Streuobstwiesen und Grünlandumbruch. Als weitere wichtige Höhlenbrüter, die potentiell Kopfweiden als Habitat nutzen, sind die stark gefährdeten Vogelarten Hohltaube und der Wiedehopf, Meisenarten, Gartenrotschwanz, Grauschnäpper und Trauerfliegenschnäpper zu nennen.

Baumhöhlen gelten für Fledermäuse als wichtige Sommerquartiere

Foto: NABU/Günter Lessenich
Foto: NABU/Günter Lessenich

Säugetiere
Genaue Untersuchungen liegen nicht vor, aber häufig sind Bilche, Steinmarder und Mäuse genannt. Baumhöhlen gelten für Fledermäuse als wichtige Sommerquartiere.
Insekten
In Verbindung mit der „Weide“ wurden in einer wissenschaftlichen Erhebung 162 Schmetterlingsarten und 64 Käferarten gezählt. Die Angaben in der Literatur sind sehr unterschiedlich, 1996 ermittelte Mertens allein 199 Käferarten. Der hohe Anteil an Totholz ist ideal für Ameisen, von denen ca. 8 Arten auf Kopfweiden vorkommen. Die zahlreichen Höhlen werden nicht nur von Säugetieren genutzt sondern auch im hohen Maße von Wespen und Hornissen. Die Blattwespen legen ihre Eier in Blättern der Weide ab, zu erkennen ist dies an den roten Gallen, in denen die Larven leben. Die schon sehr früh im Jahr aufblühenden „Kätzchen“ der Weiden bieten den Insekten im wesentlichen drei unterschiedliche Nahrungsquellen:

  • Das nahrhafte grüne Gewebe vor allem der Kätzchen-Spindel.
  • Nur bei männlichen Bäumen: die Pollen.
  • Der Nektar, der in speziellen Nektardrüsen produziert wird.

Weidekätzchen stehen unter besonderem Schutz und dürfen nicht gepflückt werden

Weidekätzchen sind im Frühjahr erste Nahrungsquelle für die Bienen  Foto: NABU/Günter Lessenich
Weidekätzchen sind im Frühjahr erste Nahrungsquelle für die Bienen Foto: NABU/Günter Lessenich

Die Weidenkätzchen sind ein gutes Beispiel dafür, wie sich auch ein scheinbar einheitlicher Kleinlebensraum in Wirklichkeit aus noch kleineren Einheiten zusammensetzt, eine komplexe Struktur aufweist und insgesamt einer entsprechend großen Fülle von Insektenarten einen Lebensraum bieten kann. Daran ist zu erkennen, wie wichtig jede einzelne Kopfweide ist. Sie wird immer wertvoller, je älter der Baum wird. Eine alte Kopfweide ist ein Biotop für sich und daneben noch eine „Augenweide“. Was wäre das Bruchgebiet oder ein Auenwald ohne Nebel umwogende Kopfweide.

Ein Bericht über die Kopfweiden von Theo Reinartz, NABU Selfkant e.V.